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NAVA, DIE UNWIDERSTEHLICHE DÄMONENJÄGERIN - LUXURIA (Taschenbuch)

NAVA, DIE UNWIDERSTEHLICHE DÄMONENJÄGERIN - LUXURIA (Taschenbuch)

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Alle Taschenbücher sind vom Autor digital signiert.

Der Auftrag: Dämonen töten. Der Haken an der Sache: ein wahnsinnig heißer Aufpasser. Die Herausforderung: die beiden Dinge nicht miteinander zu verwechseln.

Nava Katz hat ihren geplatzten Traum gegen eine beeindruckend zynische Lebenseinstellung eingetauscht. Das Einzige, was ihr wirklich wichtig ist? Ihr hart schuftender Zwillingsbruder. Doch dann unterbricht sie seine Einführungszeremonie in eine geheime übernatürliche Gesellschaft, zerstört damit versehentlich seinen Lebenstraum und stiehlt ihm sein Schicksal.

Moment mal – waaaas?

Sie erwartet eine Bestrafung, doch stattdessen wird sie einer Feuerprobe unterzogen, in der sie gegen Dämonen kämpft, um die Menschheit zu schützen, während sie lernt, ihre Kräfte zu beherrschen und sich ihrem schlimmsten Albtraum stellen muss: einem Lebensziel.

Um der Sache noch die Krone aufzusetzen, stellt sich schon bald heraus, dass die Bösewichte im Vergleich zu den ausschließlich männlichen Dämonenjägern, die sich schockierenderweise nicht mit einer Frau in ihren Reihen anfreunden können, geradezu entzückend sind.

Man übergibt sie dem gnadenlosesten Jäger: Rohan, ein Mann, dessen innere Dämonen ihm den Respekt der echten Monster einbringen. Er verfolgt seine eigene riskante Mission und hat kein Interesse daran, auf ein Mädchen aufzupassen, von dem alle erwarten, dass es sowieso bald sterben wird.

Aber Nava ist unübertroffen, wenn es darum geht, den Erwartungen der Menschen zu trotzen. Außerdem ist Gehässigkeit ein großer Antrieb. Also schmiedet sie einen Plan, um ihren Bruder auf ihre Seite zu ziehen. Sicher, dazu gehört auch, einen rachsüchtigen Dämon zu besiegen, der nach Blut trachtet, aber wo gehobelt wird, da fallen auch Späne.

Die Bruderschaft will sie aus dem Weg räumen. Die Dämonen wollen sie tot sehen. Ihr erster Auftritt als Auserwählte, und schon macht sie Nägel mit Köpfen.

Eine freche Heldin, knallharte Action und eine pikante Liebesgeschichte. Diese wundervoll süchtig machende Romanserie trifft einen mitten ins Herz, wenn man am wenigsten damit rechnet.

Leg dich mit einem Dämonenjäger ins Bett und schmökere die ganze Nacht!

 

READ A SAMPLE

Kapitel 1

Der Morgen danach war immer scheiße.

Doch auch wenn dieser „Gang der Schande“ ein notwendiges Übel war, bedeutete das nicht, dass es mir Spaß machte, zweimal in dieselben nuttigen Klamotten zu schlüpfen. Ich zupfte mir etwas Glitzer aus den Haaren und richtete mein Pailletten-Top. Offiziell hatte ich es bereits ausrangiert. Denn obwohl ich es mehrmals gewaschen hatte, haftete dem Shirt noch die Aura der schlechten Entscheidungen an, die ich beim Tragen meines Party-Outfits getroffen hatte. Meine Philosophie? Ich drücke die Daumen und hoffe, dass das Geld, das ich für neue Klamotten ausgab, möglichst gut angelegt war.

Der mürrische Taxifahrer trieb mich zur Eile an.

Ich gehorchte und kramte in meiner Handtasche nach ein paar zerknitterten Scheinen, überreichte sie ihm und torkelte aus dem Taxi auf den Bürgersteig.

Frische Luft war ein Geschenk des Himmels nach dem abgestandenen, bitteren Kaffeegeruch, dem ich während der Taxifahrt ausgesetzt gewesen war. Ich hielt mir einen Finger an die Schläfe. Hinter meinen Augäpfeln hatte sich ein hartnäckiges, dumpfes Pochen bemerkbar gemacht. Der Rest meiner guten Laune verflüchtigte sich, als mir das grelle Sonnenlicht in die Augen stach. Der dröhnende Rasenmäher eines Nachbarn, der die sonntägliche Morgenstille durchbrach, machte die Sache nicht besser. Ich dachte, es wäre am besten, ins Haus zu gehen.

Ich glättete meinen Minirock und bereitete mich darauf vor, mein glückliches Schlampen-Ich einem Körpercheck zu unterziehen, um mich wieder in mein langweiliges und jugendfreies Ich zu verwandeln. Plötzlich überkam mich ein Schwindelgefühl. Puh. Ich versuchte, meinen Blick wieder auf den Horizont zu fokussieren und schluckte schwer. Diese Seekrankheitstechnik taugte einen Scheißdreck, also kramte ich in meiner Tasche nach einem Ingwerkaugummi.

Nicht in die Büsche kotzen, ermahnte ich mich selbst, und ließ den süß-scharfen Kaugummi gegen meine Übelkeit ankämpfen. Meine Mutter würde mich rausschmeißen, wenn ich ihre kostbaren Rhododendren-Büsche verunstalten würde.

Wieder einmal.

Als ich ein paar Mal tief einatmete, wurde mir ein weiteres Problem bewusst. An meinem schillernden Oberteil fehlten zwei Knöpfe. Und ich trug keinen BH. Der Typ von letzter Nacht wäre vielleicht den Verlust eines Paars Socken oder womöglich eines billigen Tangas wert gewesen. Aber das neueste Modell in Sachen lila Push-up-Technologie? Nein. Ich erlaubte mir einen Moment der Trauer. Es war ein guter und zuverlässiger BH gewesen.

Und was den Sex angeht: Der totale Reinfall. Sogar meine beiden Babys, die normalerweise locker ein C-Körbchen ausfüllten, wirkten leicht bedrückt. Ich konnte es ihnen nicht verübeln. Wie-heißt-er-noch hatte mit dem Versprechen auf einen wilden Galopp begonnen, aber am Ende hatte es dann doch nur für einen leichten Trab gereicht. Ich konnte nicht genau sagen, ob der Fehler beim Jockey oder am Ritt selbst lag, aber von der Zielgeraden war ich noch meilenweit entfernt gewesen.

Es war keine gute Idee, hier draußen auf dem Gehweg weiter meine Titten zu begutachten, während mich Mrs. Jepson hinter ihren Wohnzimmervorhängen beobachte. Also reckte ich das Kinn und klapperte auf den Mini-Folterkammern, die mir gestern als ein so guter Einfall erschienen waren, im Stakkato-Takt Richtung Haustür.

Jeder Schritt hinterließ ein kleines Loch auf unserem sorgfältig gepflegten Rasen. Ich presste die Lippen aufeinander und hoffte, dass der Ingwer-Kaugummi endlich seine Wirkung entfaltete, während ich versuchte, meinen Schlüssel ins Schloss zu fummeln. Dad hatte die Maße unserer eindrucksvollen Haustür aus Zedernholz und Buntglas falsch ausgemessen, und da sie ein wenig zu groß für den Rahmen war, musste man beim Öffnen mit der Schulter nachhelfen.

Ich warf mich wie ein Footballspieler gegen die Tür. Nachdem ich mich und meinen Schlüssel von der Tür befreit hatte, strich ich mir die Klamotten glatt und trat ein. Unser Haus gehörte zwar zur gehobenen Mittelklasse, hatte aber keine sonderlich große Wohnfläche, da meine Eltern ihr Geld lieber für Reisen und Bücher ausgaben als für die überteuerten Immobilien, die man hier in Vancouver erwerben könnte. Ein kurzer Blick nach links zeigte mir, dass das Fernsehzimmer leer war. Ich hatte gehofft, dass Mom und Dad beim Squash waren, was der Hauptgrund dafür war, dass ich mich ausgerechnet zu dieser Uhrzeit hereingeschlichen hatte.

Eigentlich sollte sich eine Zwanzigjährige nicht mehr ins Haus schleichen müssen. Aber andererseits hätte besagte Zwanzigjährige ihren letzten Aushilfsjob im Callcenter vielleicht nicht schon nach zwei Wochen verlieren sollen – dann wäre sie eventuell in der Position gewesen, zu Hause bestimmte Rechte geltend zu machen.

Ich streifte mir die Schuhe ab und seufzte genüsslich, als ich die kühlen Fliesen an meinen nackten Füßen spürte. Gemächlich schlenderte ich durch das Haus, bis ich in unsere gemütliche Küche gelangte. Auch dort war niemand zu sehen. Jemand – wahrscheinlich Mom – hatte den Umschlag mit meiner letzten – und einzigen – Gehaltsabrechnung an unsere kleine Korkwand für „Verschiedenes“ geheftet. Jemand hatte aufgeräumt und die glänzenden Quarz-Theken von ihrem üblichen Durcheinander befreit; alle Papiere, Bücher und die neuesten Gourmet-Funde waren verschwunden. Das bedeutete, dass wir Besuch hatten. Wenn ich es mir recht überlege, habe ich tatsächlich jemanden im Wohnzimmer gehört.

Der Salon, ein großer eleganter Raum, in geschmackvollen Weißtönen, war normalerweise tabu, es sei denn, wir hatten besondere Gäste. Mom hatte diese Regel aufgestellt, als mein Zwillingsbruder Ari und ich noch kleine Wirbelstürme waren, die sich gegenseitig durch die Wohnung jagten. Doch obwohl es kein Kindergitter mehr gab, das uns den Weg versperrte, hielten uns die angedrohten Strafen und einige denkwürdige Schimpfwörter auch heute noch davon ab, dieses Zimmer zu betreten.

Hmmm. War es möglich, dass sich Ari mit einem echten menschlichen Wesen vergnügen konnte?

Ich schlenderte weiter in den hinteren Teil des Hauses, vorbei an den Familienfotos, die in einem ordentlichen Raster aufgehängt waren, und legte den Kopf schief. Ich lauschte nach Stimmen, aber alles war still. Vielleicht hatte ich mich geirrt? Hoffentlich nicht. Sowohl die Möglichkeit, dass ich meinen Bruder bei etwas Unanständigem erwischen könnte, als auch die Aussicht darauf, mich am Schnapsregal zu bedienen, stimmten mich fröhlich. Gibt es eine bessere Methode, einen Kater zu bekämpfen, als sich wieder zu betrinken? Oh, wie gut war es doch, in Kanada zu leben, sich einer sozialen Gesundheitsfürsorge zu erfreuen und mit einem gesetzlichen Mindestalter von neunzehn Jahren Alkohol trinken zu dürfen. Nachdem ich ein Jahr lang (zumindest offiziell) an dieser Fähigkeit gefeilt hatte, waren meine Trinkleistungen olympiareif.

Der Rotwein auf dem Couchtisch funkelte im Sonnenlicht, als hätten die Götter ihn höchstpersönlich genau an dieser Stelle für mich positioniert. Ich griff nach der Kristallkaraffe und goss die rote Flüssigkeit in den Kelch, der praktischerweise gleich daneben stand. Ab und zu musste sich ein Mädchen auch mal etwas gönnen dürfen.

Ich fächelte mir mit der Hand Luft zu. Die vielen Kerzen schienen ein bisschen übertrieben für Aris romantisches Rendezvous zu sein, aber das Weinglas in meiner Hand zügelte meine Neugier und ich genehmigte mir einen großen Schluck. Jede Faser meines Körpers hieß den süßlichen Alkohol in meinem Mund willkommen. Allerdings hoffte ich, dass es sich nicht um einen Manischewitz handelte; der Kater, den der koschere Wein verursachen würde, wäre die reinste Qual. Ich hatte gerade das halbe Glas geleert, als ich bemerkte, wie sich meine Mutter auf der anderen Seite des Raumes entsetzt mit der Hand an die Kehle griff und mich mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. Ihrem entsetzten Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war es für jegliche Intervention zu spät. Alles deutete darauf hin, dass ich eine ganz neue Stufe des Versagens erreicht hatte.

„Nava Liron Katz“, keuchte sie empört. Die Tatsache, dass sie meinen vollen Namen verwendete, verhieß nichts Gutes.

Während ich den Mund noch immer voller Wein hatte, sah ich mich etwas genauer im Raum um. Mom? Anwesend. Dad? Anwesend. Ari? Anwesend. Und auch Rabbi Abrams war hier, um die Zeremonie abzuhalten, bei der mein Bruder Ari in die Bruderschaft der Davids – der auserwählten Dämonenjäger – aufgenommen werden sollte.

Volle Punktzahl!

Ich spuckte den Wein zurück in den silbernen Kelch und reichte ihn dem Ältesten. „Lassen Sie sich von mir nicht stören!“, sagte ich noch. Dann übergab ich mich auf die Schuhe des Rabbis.


Fünfundvierzig Minuten später kauerte ich auf dem geschlossenen Toilettendeckel in meinem Badezimmer und lutschte am Käsebelag eines Doritos, während ich mir meine schrecklichen Taten noch einmal durch den Kopf gehen ließ. Selbst mit ausgeschaltetem Licht war der Raum noch so hell und freundlich wie Martha Stewarts Lächeln. Eine staubige Binden-Schachtel von Costco stand offen auf dem Waschtisch – mein geheimes Versteck für meinen Vorrat an arterienverstopfendem Glück in der Tüte.

In diesem Augenblick fungierten die Tortilla-Chips allerdings weniger als unerlaubte Gaumenfreuden, sondern vielmehr als mundgerechte Häppchen des Selbsthasses.

Ich schob meine Hand in die Tüte, um mir Nachschub zu holen. Dabei achtete ich allerdings darauf, sie nicht zu knittern, damit das Rascheln mich nicht verriet. Schwer zu sagen, was der Höhepunkt meines kleinen Missgeschicks gewesen war! Das Trinken des Festweins? Das Erbrechen über die Schuhe des Rabbis? Oder meine Outfit-Panne, bei der meine linke Brust entblößt wurde und die meinen Vater dazu veranlasst hatte, sich beim Aufspringen den Rücken zu verrenken, während er versuchte, mich mit seinem Körper zu verdecken?

Ich hatte wirklich gute Arbeit geleistet.

Jemand klopfte an die Tür. Mit dem Dorito im Mund wie ein Schnuller erstarrte ich und lauschte den lauten Stimmen, die von unten aus dem Wohnzimmer drangen – ein schreiender Rabbi, meine schimpfende Mutter und mein argumentierender Vater. Es musste also Ari sein, doch im Augenblick war ich zu feige, ihm gegenüberzutreten. Wie sollte ich mich nur dafür entschuldigen, dass ich ihm den wichtigsten Moment seines Lebens ruiniert hatte?

„Ich weiß, dass du Doritos isst.“, rief er von der Tür aus. „Lass mich rein.“

„Gar nicht wahr!“ Ich schluckte den inzwischen matschigen Dorito runter und stöhnte lustvoll auf. „Ich lasse eine Stinkbombe fallen.“

„Wenn das wahr wäre, hättest du das Wasser laufen lassen, weil du befürchtest, wir könnten dahinterkommen, dass du einen Anus hast.“ Er rüttelte an der Klinke. „Lass mich rein.“

Ich starrte den Wasserhahn an und gab dem leblosen Objekt die Schuld dafür, dass es seinen Teil meines brillanten Plans nicht erfüllt hatte. Seufzend stellte ich die Chipstüte auf den Waschtisch und wusch mir die orangefarbenen Nacho-Reste von den Händen. Dann zog ich den Gürtel meines wuscheligen Bademantels enger, in den ich mich mittlerweile gehüllt hatte, und schloss schließlich die Tür auf.

„Es tut mir so leid, Ari.“, sagte ich und ließ den Kopf hängen. Ich gönnte meinem Zwillingsbruder alles Glück der Welt. Ari hatte mich nie so behandelt, als wäre ich in irgendeiner Weise „weniger wert“, nicht ein einziges Mal. „Ich weiß, du hast keinen Grund, mir zu glauben, aber …“

„Halt die Klappe.“, sagte er und schob sich in seinem marineblauen Anzug an mir vorbei. Er saß ihm wie angegossen, nur an den Schultern hing er etwas.

Er ließ sich auf den Badewannenrand nieder und stieß eine der vielen Flaschen Zitrusöl um. Mit einer Hand auf die Mosaikfliesen der Dusche gestützt, griff er nach seiner Kippa und warf sie auf den Waschtisch, wo der goldgestickte Davidstern zwischen meinem Make-up und den Haarnadeln hervorblitzte.

„Verdammt, hat das gejuckt.“ Mit einem erleichterten Seufzen kratzte er sich seinen blonden Schopf und reckte dann das Kinn Richtung Doritos-Tüte. „Gibst du mir auch welche?“

Ich verriegelte die Tür, kehrte auf meinen Thron zurück und hielt ihm die Chips-Tüte hin.

In einvernehmliches Schweigen gehüllt, machten wir uns über die Familienpackung Doritos her.

„Man, schmecken die eklig“, beschwerte sich Ari und stopfte sich etwa zehn Tortilla-Chips gleichzeitig in den Mund.

Ich streckte den Arm aus und entfernte die Chipskrümel von seinem Anzug. „Vorsichtig, Bubeleh. Wir wollen ja nicht, dass du dich schmutzig machst. Wenn die Ältesten wüssten, dass ihr gesundheitsbewusster Auserwählter hier oben sitzt und dabei ist, sein Leben um Jahre zu verkürzen.“

„Pffff“, machte er, wobei ihm die Chipskrümel aus dem Mund flogen. „Ich würde einfach dir die Schuld geben und sagen, dass du mich zu dieser Sünde verleitet hast.“

„Nützlich, eine teuflische Zwillingsschwester zu haben, nicht wahr?“ Mein Tonfall war locker, aber innerlich drehte sich mir der Magen um.

Er wischte sich den Mund ab. „Überschätze dich da mal nicht. Du bist nicht teuflisch. Nur fehlgeleitet.“

Ich richtete mich zu meiner vollen Größe auf. „Es ist nicht nett, so etwas zu sagen.“

Wir leerten die Tüte und drängelten dann am Waschbecken, um uns die Hände zu waschen. Wenige Augenblicke später ließ ich mich glücklich und vollgefressen auf den braunen Korkboden plumpsen. Nun, zumindest so glücklich, wie ich unter den gegebenen Umständen eben sein konnte.

„Eigentlich müsstest du dir jetzt die Seele aus dem Leib kotzen, wenn man bedenkt, wie betrunken du noch vor einer Stunde warst“, sagte Ari.

„Diese Chips haben magische Kräfte. Außerdem habe ich meinen Mageninhalt schon auf dem Teppich gelassen.“

Er zuckte zusammen. „Erinnere mich bloß nicht daran! Ich glaube, Mom ist darüber wütender als über deinen spektakulären Auftritt. Sie hatte ziemlich beeindruckende rote Sprenkel im Gesicht, als ich sie zuletzt gesehen habe.“

„Eher Merlot oder Tomate?“

„Nava-Rot“, gab mein Bruder zur Antwort. „Ein Farbton, der extra nach dir benannt wurde.“

„Was hattest du überhaupt heute bei diesem Ritual zu suchen?“, fuhr ich ihn an. „Die Einweihung ist doch erst morgen. Am sechsten.“

„Oder heute, am sechsten.“

Scheiße! Ich zog meine Knie enger zur Brust. „Ari …“

Er stand auf und hob die Hand, um mich am Weiterreden zu hindern. „Nein. Wenn du dich wirklich entschuldigen willst, dann geh duschen und zieh dich an! Wenigstens wäre dann jemand bei der Zeremonie dabei, dem ich wirklich am Herzen liege. Allen anderen geht es doch nur um meinen Status oder was auch immer.“

„Ach,“, keuchte ich, „ist es nicht das, was du willst?“

Er setzte sich die Kippa auf und starrte einen Moment lang sein Spiegelbild über dem Waschbecken an. „Hatte ich denn jemals eine Wahl? Wir waren fünf Tage alt, als sie den Entschluss fassten, mich zu einem von ihnen zu machen. Ich hatte kein Mitspracherecht.“

Wir hatten beide das Foto der verblüfften Gesichter unserer Eltern gesehen, als ein etwas jüngerer, aber trotzdem erstaunlich alter Rabbi Abrams meiner Mutter – einer Nachfahrin König Davids – die freudige Nachricht überbracht hatte. Da die Bruderschaft streng geheim ist, erfuhren meine Eltern den wahren Grund des Besuchs des Rabbiners erst, nachdem er Ari als einen von ihnen bestimmt hatte: Einen auserwählten Dämonenjäger. Das besagte Foto wurde nach vielen Erklärungen und Überzeugungsversuchen gemacht. Es sollte beweisen, dass auch wirklich alles mit rechten Dingen zuging und ihr Sohn ein verdammt wichtiges Schicksal zu erfüllen habe.

Ich ging ins Schlafzimmer, um mir ein paar frische Sachen zu holen.

Vor langer Zeit - und damit meine ich das Alte Testament - besiegte ein Hirte namens David den Riesen Goliath. Das brachte David zwar einen Platz in der Geschichte ein, aber er hatte noch mehr zu bieten als seine herausragenden Fähigkeiten als Steinschleuderer.

Ich weiß nicht, ob David ein Adrenalinjunkie oder ein Weltverbesserer war, aber als König Saul später von einem Dämon besessen war, sagte David nur: „Überlasst das mir.“ und trieb ihm die Höllenbrut aus. Vermutlich hielt David die Dämonenbeseitigung für einen guten Dienst an der Allgemeinheit, denn als er um 1010 v. Chr. König wurde, versammelte seine Kameraden um sich, damit sie sich mit ihm gemeinsam dieser Aufgabe widmeten. Die Juden waren damals knallhart. Einfach fantastisch!

Trotzdem hatte es nie einen Sinn ergeben, warum er seine Jäger Rasha nannte – das hebräische Wort für „böse“.

Ich hing meine Anziehsachen an den Haken an der Rückseite der Badezimmertür. „Sprich mit mir.“

Mein Bruder hatte sich sein ganzes Leben lang auf diesen Tag vorbereitet. Er hatte hart gearbeitet und trainiert, um offiziell in die Bruderschaft aufgenommen zu werden. Ich zog eine Augenbraue hoch und ärgerte mich, als Ari meine Frage mit einem Achselzucken abtat. „Tu nicht so, als wärst du nicht gespannt darauf, welche magischen Kräfte du am Ende bekommen wirst.“

Seine Augen funkelten einen Augenblick. „Gedankenleser oder Lichtbändiger. Das würde mir gefallen.“ Er deutete mit dem Daumen auf die Dusche, und ich drehte gehorsam den Wasserhahn auf und wartete darauf, dass das Wasser warm wurde.

„Oder stell dir mal vor, du könntest Schleim erzeugen oder die Dämonen mit deinem tödlichen Arschgas ersticken, das wäre mal was.“

„Ha. Ha.“ Ari kaute auf seiner Unterlippe.

„Willst du aussteigen?“ Ich knackte mit den Fingerknöcheln. „Wir könnten die drei da unten gemeinsam umlegen. Ich helfe dir dabei.“

Er zuckte mit den Schultern, wobei der dunkle Stoff seines Anzugs Falten warf. „Ich wüsste nicht, was ich sonst tun sollte. Wofür ich sonst noch gut bin.“

Ich knuffte ihn in den Oberarm. „Hör auf, im Selbstmitleid zu versinken, du Streber. Ich bin sicher, mit Chemie als Hauptfach und Biologie als Nebenfach würdest du irgendwann in einem riesigen Pharmaunternehmen ein kleines Vermögen verdienen und jede Menge interessante Probleme lösen.“ Ich war nicht neidisch auf ihn. So lief das zwischen uns nicht. Er war vielleicht auserwählt und verdammt klug, aber das Einzige, was mich an ihm störte, war, dass er die hübscheren Wimpern hatte. Es waren immer die Jungs mit diesen Kamelaugen. Das war so unfair.

Ich prüfte die Temperatur mit der Hand, bis ich mir sicher war, dass das Wasser warm genug war, und stellte den Druck an der Brause ein, um das Wasser mit voller Wucht durch den Duschkopf strömen zu lassen.

Ari wuschelte mir durchs Haar. „Du wirst eines Tages auch etwas Großartiges vollbringen“, sagte er. Ich schlug seine Hand von meinem Kopf weg. „Du musst nur dein Ding finden.“ Er beeilte sich mit dem zweiten Satz, als hoffte er, ich würde mich nicht daran erinnern, dass ich mein Ding schon vor langer Zeit gefunden hatte und die Chancen, etwas anderes zu finden, das ich genauso liebte, ziemlich gering waren.

„Ja, ja, was du nicht sagst.“ Ich schob ihn zur Tür. „Geh und halte sie davon ab, mich aus dem Testament zu streichen. Ich werde in zehn Minuten da sein und wie die Tugend höchstpersönlich aussehen.“

Ari schnaubte verächtlich. „Überanstreng dich bloß nicht. Sauber reicht vollkommen aus.“ Er schnüffelte an mir und fächelte sich grinsend Luft zu. „Hast du wieder einen von diesen Pennern gevögelt?“

„Einen College-Jungen. Aber das kommt aufs Gleiche raus.“ Ich griff nach meinem Bademantelgürtel.

Er schloss die Tür auf und drehte sich nochmal halb zu mir um. „Würde es einen Unterschied für dich machen? Wenn ich es nicht tun würde?“

Ich hielt mitten in der Bewegung inne. „Gott, nein. Die wenigen Rasha, die ich bisher getroffen habe, waren schwanzschwingende Typen voller Testosteron. Auch wenn ich um deinetwillen hoffe, dass manche von ihnen auch gerne Schwänze lutschen. Wie dieser heiße Brasilianer, den sie letztes Jahr dazu geholt haben, um dich in Capoeira zu trainieren.“

Er würdigte mich keines Blickes, als ich mit den Augenbrauen wackelte. „Warum mache ich mir eigentlich die Mühe?“

König David hatte schon sehr früh erkannt, dass es einen Grund dafür gab, warum Dämonen in der Mythologie aller Kulturen vorkamen, auch wenn er das Problem ausschließlich in Israel bekämpfte. Dämonen waren ein internationales Problem. Da Jerusalem in der Nähe der Handelsroute lag, die als Königsweg bezeichnet wurde, sandte David seine Leute in alle Himmelsrichtungen aus, damit sie die besten Männer verschiedenster Rassen und Religionen ausfindig machten. Muslime, Ägypter, Phönizier, Kelten und Thraker schlossen sich ihm an, um mit ihm in den Kampf zu ziehen. Die Bruderschaft war gegründet.

Es war irgendwie cool zu sehen, wie weit die ursprünglichen Blutlinien in die heutige Zeit reichten. Weniger cool war allerdings, wie ernst und gestresst mein Bruder in diesem Augenblick aussah, also schmatzte ich mit den Lippen, wild entschlossen, ihm ein Lächeln abzuringen. „Mmm. Hochwertiges brasilianisches Fleisch.”

Ari gab einen angewiderten Laut von sich und warf meinen Luffaschwamm nach mir. Ich duckte mich lachend und er fiel in die Dusche. „Was? Willst du denn keinen Freund haben? Denk an all die Leckerbissen, die da auf dich warten!“ Ich grinste ihn an. „Die Chancen stehen gut, dass es in der Crew ein paar Warmduscher für dich gibt.“

Seine Lippen zuckten, obwohl er sich bemühte, ernst dreinzuschauen. „Ich habe keine Zeit für Verabredungen.“

„Ich auch nicht. Aber dafür habe ich jede Menge Sex. Etwas, das dir, mein lieber älterer Bruder, auch nicht schaden würde. Wenn du es regelmäßig treibst, wirst du vielleicht ein bisschen lockerer.“

„Ich bin locker“, sagte er und rückte seine Krawatte zurecht.

„Ja.“ Ich schob ihn zur Tür hinaus. „Eine richtige Hure von Babylon. Und jetzt raus mit dir. Ich muss mich hübsch machen.“

Eines muss ich zu meinen Gunsten sagen: Ich gehörte nicht zu den Mädchen, die ewig brauchen, um sich fertig zu machen. In den vorgegebenen zehn Minuten war ich geduscht und angezogen; so wie es sich für eine anständige Amish eben gehörte. Ich drehte mein Haar im Nacken zu einem Dutt und ging mit frischem Gesicht die Treppe hinunter.

Zeit für meinen großen Auftritt, Mr. Demille. Gesenkten Hauptes schlurfte ich ins Wohnzimmer.

„Vergeben Sie mir, Rabbi.“ Wie ein Hochzeitsgast, der den Paten um einen Gefallen bittet, warf ich mich auf den Boden. „Ich hatte auf dem Heimweg einen Autounfall“, log ich. Ich stand wieder auf. „Deshalb brauchte ich einen Drink. Ich war so aufgewühlt.“ Ich ließ meine Stimme so mitleidig wie möglich klingen, während ich zu ihm aufblinzelte. Knifflig, da ich vier Zentimeter größer war, aber nicht unmöglich. „Ich bin sicher, dass das ein Versehen war.“

Männer, egal ob heterosexuell, schwul, heilig oder was auch immer, konnten solche Trottel sein. Der Rabbi tätschelte meine Hand, um mir zu vergeben. Seine Berührung fühlte sich papiertrocken an. „Du musst mehr Respekt zeigen, Navela“, sagte er und benutzte die jiddische Verniedlichungsform meines Namens.

Ich nickte und machte einen Bogen um die noch feuchte, aber bereits fleckenlos saubere Kotzstelle auf dem weißen Teppich. „Sie haben so recht. Ich sollte wieder in die Schule kommen. Ist Ihr Sohn nicht der Kantor der Park West Synagoge? Er hat so eine schöne Stimme, wenn er betet.“

Als dem Rabbi aufging, dass ich mich an seinem kostbaren Sohn vergreifen könnte, legte sich ein Ausdruck der Empörung auf sein Gesicht. Aber glaubt mir, sein Sohn war ein glatzköpfiges Dickerchen mittleren Alters. Ich hatte keinerlei Interesse an ihm.

„Fang klein an“, sagte Rabbi Abrams.

Der Rabbi hatte Ari sein ganzes Leben lang als Mentor begleitet und war außerdem der Cheftrainer für die Dämonenjäger, doch mein Kontakt zu ihm war begrenzt. Er koordinierte nicht nur das Training und die Kampfausbildung, sondern brachte meinem Bruder auch alles bei, was er wissen musste. Ari hatte sich zwar in den meisten Fällen über die Einzelheiten ausgeschwiegen, aber im Grunde ging es um die Unterscheidung der verschiedenen Dämonentypen, um das Erstellen von Schutzzaubern bis hin zum Erlernen der unterschiedlichen Aspekte der Bruderschaft selbst.

„Schana“, rief der Rabbi meiner Mutter zu. „Jetzt, wo die Familie endlich versammelt ist, können wir mit der Zeremonie beginnen.“

Meine Mutter reichte ihm den frisch gereinigten Kelch. „Natürlich, Rabbi.“ Mom sah ihm nach, wie er davonschlurfte, um etwas vorzubereiten, wobei er einen schwachen Geruch von Mottenkugeln hinter sich herzog. Dann strich sie sich über ihr glattes honigfarbenes Haar und während sie an mir vorbeiging, murmelte sie: „Unfälle? Lügen? Du hast ja viel zu tun heute Morgen.“

Meine Mutter war nicht so leicht hinters Licht zu führen. Sie war klug, Geschichtsprofessorin an der British Columbia Universität und hatte die lästige Angewohnheit, sich an Ereignisse zu erinnern, die man am besten verdrängte. Außerdem war sie Bestsellerautorin, und hatte – welch Überraschung – ein Buch über König David geschrieben.

Mein Dad, Dov, dunkelhaarig wie ich, war auch Professor. Für Jura. Oy vey. Bei ihm drehte sich alles um das Sammeln von Fakten, die für die Aufklärung eines Falls wichtig waren. Jetzt gerade zum Beispiel betrat er in seiner Plisseehose und seiner Pullover-Weste den Raum, sein steifer Gang war wahrscheinlich auf die Rückenverletzung zurückzuführen, die er den jüngsten Ereignissen zu verdanken hatte. In der Hand hielt er wie üblich ein Tasse Kaffee.

Der Geruch ließ mich würgen.

„Du hattest einen Autounfall? Etwa mit dem Taxi? Hast du dir wenigstens die Daten des Fahrers geben lassen?“ Seine Fragen kamen wie aus der Pistole geschossen. „Die wirst du für die Versicherung brauchen.“

Verdammt. Ich hatte vergessen, mich auf sein Verhör vorzubereiten.

Ace kam mir zur Hilfe. Mein Bruder zerrte an Dads Ärmel und führte ihn zu seinem Sessel. „Setz dich. Der Rabbi will mit der Zeremonie beginnen.“ Aus dem Mundwinkel zischte er mir zu: „Du stehst tief in meiner Schuld.“

Ich schenkte ihm ein verlegenes Grinsen, setzte mich wie ein braves kleines Mädchen in den Stoffsessel ganz hinten und stopfte mir die Hände unter den Hintern.

Rabbi Abrams gab Ari ein Zeichen, sich neben ihn zu stellen. Während der Rabbiner ehrfürchtig die erste Kerze anzündete, beobachtete ich, wie die Hand meines Bruders nervös zitterte.

Ich reckte denen Daumen hoch. Ari würde das großartig machen.

Der Rabbiner zündete die letzte der etwa ein Dutzend großen Stumpenkerzen an, die auf dicken Glassockeln in einem Kreis im Wohnzimmer aufgestellt waren. Der seelenlose Raum mit dem weißen Teppich, den weißen Möbeln und, man höre und staune, der schwarz-weißen Brokattapete wurde durch ihren Schein etwas aufgelockert.

Die Zeremonie bestand aus Gesang, Gebeten und hebräischem Gemurmel. Ich hatte meinen Hebräisch-Unterricht allerdings damit verbracht, Sweet Valley High zu lesen, also verstand ich es nicht, aber ich war oft genug in der Synagoge gewesen, so dass mir der Gesang und die rituellen Gesten vertraut waren. Der Rhythmus und die Kadenz der fremden Worte lullten mich ein und linderten sogar meine dröhnenden Kopfschmerzen ein wenig.

Der alte Mann hatte keine schlechte Stimme, wahrscheinlich hatte er dieses Talent an seinen Sohn vererbt, und sogar die Zeremonie war irgendwie schön. Selbst mein kaltes, totes Herz konnte nicht umhin, sich ehrfurchtsvoll zu regen.

Alle männlichen Nachkommen von König David – oder eines anderen Jägers – wurden als potenzielle Kandidaten betrachtet. Das erste Ritual, welches im Säuglingsalter durchgeführt wurde, entschied, ob sie zum Eingeweihten aufsteigen konnten – zu einem, der das Rasha-Merkmal trug, im Gegensatz zu den normalen Muggel-Nachkommen. Dabei wurden etwa 98 % der Potenziellen aussortiert. Wenn Stufe zwei erreicht war, wurden sie als Eingeweihte bezeichnet und zur Ausbildung eingeteilt. Ihre zweite und letzte Zeremonie, die offizielle Aufnahme in die Bruderschaft, bei der sie zum Rasha wurden, fand im Alter von zwanzig Jahren statt.

Für das lange Warten gab es mehrere Gründe. Erstens mussten die Eingeweihten ihre gesamte Kindheit und Jugend opfern, um die Ausbildung und das Studium zu meistern, die notwendig waren, um diese Aufgabe zu übernehmen. Und zweitens wurden sie aus eher praktischen Gründen erst eingeweiht, wenn sie nicht mehr wuchsen und sich bester Gesundheit erfreuten, damit ihre Körper die magischen Kräfte annehmen konnten, die ihnen bei dieser letzten Zeremonie verliehen wurden. Nach vielen Versuchen, Irrtümern und dem Verlust von Menschenleben hatte man sich auf zwanzig als magisches Alter geeinigt.

Rabbi Abrams segnete den Wein und reichte den Kelch an Ari weiter. Nachdem mein Bruder einen Schluck genommen hatte, tauchte er seinen Finger in den Wein ein und ließ drei dicke rote Tropfen zurück in den Kelch perlen. Eine Erinnerung an das kostbare Menschenblut, das vergossen werden würde, wenn sie ihren Kampf gegen das Böse verlieren würden.

Diskret wedelte ich mir den Rauch aus dem Gesicht und unterdrückte ein kleines Lächeln, als meine Mutter genau das Gleiche tat. Wenn es nach meinen Eltern gegangen wäre, hätten sie einen Ballsaal angemietet und jeden eingeladen, den sie kannten, um allen vorzuführen, wie ihr kleiner Junge zu einem echten Mann wurde. Seien wir mal ehrlich, eine Dämonenjäger-Einführung hatte viel mehr Angeber-Rechte als eine Bar Mitzwa. Aber leider durfte die allgemeine Bevölkerung nichts von der Existenz der Bruderschaft wissen, also mussten meine Eltern Aris Fähigkeiten und seinen großen Tag heute geheim halten.

Ich hatte mir immer gewünscht, dass Aris Einweihung in einer Höhle mit singenden, vermummten Gestalten stattfinden würde, aber der alte David hatte den Mitgliedern des Dämonenklubs Demut gelehrt und es zu einem der Leitbilder gemacht. Der Auserwählte sollte sein Leben für das Allgemeinwohl selbstlos der Dämonenjagd widmen, nicht für den persönlichen Ruhm. Daher blieb es bei einer kleinen Zeremonie im engsten Familienkreis – wenn überhaupt – die im eigenen Haus stattfand.

Der Rabbi wickelte ein kleines Taschentuch um Aris Handgelenk – weiß als Symbol seiner Frömmigkeit. Ja, genau. Bei den wenigen Rashas, die ich getroffen hatte, brauchte es mehr als ein Taschentuch, um ihre enorme Arroganz zu zügeln.

Rabbi Abrams hielt das andere Ende des Tuches fest, während er seine freie Hand auf den Kopf meines Bruders legte. Es folgten weitere Worte auf Hebräisch.

Ich warf einen kurzen Blick auf meine Eltern. Zu ihrer Verteidigung musste ich zugeben, dass sie nicht enttäuscht wirkten. Sie saßen auf ihren Plätzen und verfolgten mit verzückten Gesichtern die Zeremonie. Sie schienen vor Freude überzuschäumen.

Selbst in meiner Brust regte sich etwas, und eine Träne bahnte sich ihren Weg über meine Wange.

Autsch.

Ich blinzelte gegen das plötzliche Brennen in meinen Augen an. Schlagartig sah ich alles verschwommen und der Raum um mich herum begann zu schwanken. Ich presste meine Handflächen aufeinander und klemmte sie zwischen die Knie. Ich atmete durch die Nase. Entschlossen, die Zeremonie nicht zu vermasseln.

Dann geschah es wieder.

Ari wiederholte einige hebräische Sätze, die ihm der Rabbiner vorgesprochen hatte. Oh, das ist also mein Zwillingsbruder, der dabei ist, sein Schicksal anzunehmen. Ich konzentrierte mich darauf, mich für ihn zu freuen, während er einen weiteren Schritt in Richtung Zukunft machte.

Er hatte bereits mehr erreicht als ich.

Mein Sichtfeld begann zu flimmern. Die Stimme des Rabbiners klang rau und viel zu laut. Es half auch nicht, dass ich mir die Ohren mit den Händen zuhielt. Ich bekam eine Gänsehaut, als um mich herum Geflüster ertönte. Eine Million Stimmen, eine Million Rasha-Geister, die zusammenkamen, um die Auserwählten zu begrüßen.

Die Teppichfasern stachen mir in die Fußsohlen, als ich mich erhob. Der Raum drehte sich. Schweiß bildete sich auf meiner Stirn und rann meine Schulterblätter hinab.

Der Rabbiner stand mit dem Rücken zu mir, aber Ari sah mich mit einem Anflug von Besorgnis auf dem Gesicht an.

Hatte ich eine verzögerte Alkoholvergiftung? Nach Luft ringend zog ich am Kragen meiner Bluse. War so etwas überhaupt möglich?

Rabbi Abrams öffnete ein kleines, kunstvoll geschnitztes Kästchen und enthüllte den schweren Goldring, der Ari als Auserwählten kennzeichnen würde. Gold ist das alte jüdische Symbol für göttliches oder himmlisches Licht, ein heiliger Segen, der seit Davids Zeiten erteilt wird.

Angetrieben von einer Kraft, die ich nicht kontrollieren konnte, öffnete ich meine Hand und streckte sie nach dem Ring aus. Jede Faser meines Körpers schien nach dem Ring zu verlangen.

„Sheli.“ Wie bitte? Woher kannte ich plötzlich das hebräische Wort für „mein“?

Der Ring begann zu schweben.

Alle Köpfe im Raum drehten sich in meine Richtung. Moms Körper spannte sich an und sie beugte sich vor, um mich anzusehen. Dads Augen weiteten sich, seine Kaffeetasse fiel auf den Boden und die braune Flüssigkeit verteilte sich.

Ari und Rabbi Abrams starrten mich mit leeren Augen an.

„Sheli“, wiederholte ich wie in Trance. Meine Stimme klang plötzlich wie ein tiefes, volles, hallendes Kommando. Ich hatte die Kontrolle über mein Handeln verloren und war innerlich am Durchdrehen, doch während ich sprach, spürte ich tief in meinem Inneren, dass ich das Richtige tat.

Das machte mich noch wütender.

Der Ring flog quer durch den Raum und schob sich unter schrecklichen Stromschlägen auf meinen rechten Zeigefinger. Das Haar wurde mir aus dem Gesicht geweht. Ich riss mich aus der Trance und hatte wieder die volle Kontrolle über meine Fähigkeiten erlangt.

„Verdammte Scheiße!“, fluchte ich und schüttelte meine Hand, während ich auf und ab sprang.

Die Kerzen erloschen und ließen alle in fassungsloser Stille zurück.

Ari war der Erste, der sich bewegte. Er griff hinüber und schlug die Ringschachtel in Rabbi Abrams Hand mit einem Knall zu, der wie ein Pistolenschuss klang. „Sie hatten wohl den falschen Zwilling“, sagte er. Er hob den silbernen Kelch in die Höhe. „L'chaim“, rief er und trank den Becher leer.

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